Unsere 19. Jahrestagung fand im Clubhaus des
Aquarien- und Terrarienvereins Scalare
in Fulda statt, wo wir schon einmal im
Jahre 2000
zu Gast waren.
Das sehenswerte Vereinsgelände, der "Tümpelgarten", mit seiner Aquarien- und Terrarienausstellung, seinen Volieren und Freilandanlagen befindet sich in einem Naturschutzgebiet inmitten unberührter Auen und drei grossen Weihern.
Blick auf das idyllisch gelegene Vereinsheim
Von der Fensterfront des Tagungsraumes konnten wir auf ein naturbelassenes und bei der warmen Witterung schon
fast subtropisch anmutendes Sumpfbiotop blicken.
Zu unserem höchsten Glück hätten hier nur noch freilebende Alligatoren gefehlt - aber man ja kann nicht
alles haben ...
Eine schwimmende Ringelnatter ( Natrix natrix )
Zu Veranstaltungsbeginn am Samstagvormittag begrüßte der 2. Vorsitzende, Pascal ZIEGLER, herzlich die
teilweise von weither angereisten Tagungsteilnehmer.
Zunächst legten wir eine Gedenkminute für unseren leider kürzlich
verstorbenen Freund
Ralf SOMMERLAD ein.
Nach einem kurzen Ausblick auf die geplanten Programmpunkte startete die Veranstaltung mit einer Besichtigung des
Exotariums im Rudi-Schmitz-Haus, das am 14. Mai 2001 nach dreijähriger Bauzeit eröffnet worden war und
seitdem jährlich von Ostern bis Ende Oktober Besuchern offensteht.
Im Eingansbereich der Aquarienabteilung im Erdgeschoss ist ein Meeresaquarium mit tropischen Fischen und Korallen
untergebracht.
Nemo gefunden !
Im Anschluss findet man 16 Süsswasseraquarien, ein Paludarium, drei Regenwald-Aquaterrarien mit Pfeilgiftfröschen
und ein offenes Aquaterrarium für tropische Wasserschildkröten.
Die Terrarienabteilung im Obergeschoss beherbergt 9 grosse Anlagen mit Echsen, Schlangen und Krokodilen sowie kleinere Behälter
für Insekten.
Von größtem Interesse für uns war das fast adulte Paar Kuba-Krokodile ( Crocodylus rhombifer ), die als
illegale Importe am Flughafen Leipzig beschlagnahmt worden waren und hier eine neue Heimat gefunden hatten.
In einer benachbarten Terrarienanlage ist ein China-Alligator ( Alligator sinensis ) untergebracht, dessen Art ebenfalls in freier Wildbahn massiv vom Aussterben bedroht ist.
Markus JÄGER, Matthias FRANK und Melanie EL-MOHAMAD führten uns durch die Räumlichkeiten, berichteten über
ihre Erfahrungen in der Krokodilhaltung, die Umsetzung der umfangreichen technischen Anforderungen und das Verhalten der Tiere.
Die Kuba-Krokodile hatten im vergangenen Jahr 14 befruchtete Eier abgelegt, in denen die Embryonen aber leider abgestorben waren.
Der Versuch, eine Genprobe dieser verendeten Jungtiere zur Feststellung der Reinerbigkeit in die USA zu senden, gestaltete sich
äußerst schwierig.
Aufgrund von Verpackungsvorschriften und Zustellungsproblemen waren dazu fast 7 Monate nötig.
Von den US-amerikanischen Genetikern erreichte uns dann die Nachricht, die DNA-Tests hätten gezeigt, dass die Tiere reinerbig
sind.
In diesem Jahr führte die Optimierung der Vitaminversorgung und UV-Bestrahlung der Elterntiere zu einem ersten Zuchterfolg.
Vier reinerbige Jungtiere dieser in der Natur hochbedrohten Art sind geschlüpft
und erfreuen sich bester Gesundheit.
Bei den Kuba-Krokodilen war es ferner vor einigen Jahren zu einem Zwischenfall gekommen.
Eines der Tiere hatte eine im Gehege angebrachte Plastikmatte losgerissen, verschluckt und sich dadurch in eine lebensbedrohliche
Situation gebracht.
Nachdem es eingefangen und fixiert worden war, konnte der Fremdkörper durch das geöffnete Maul mit einem starren Endoskop,
das mit einem Greifer ausgestattet war, wieder hervorgeholt werden.
Das Kuba-Krokodil überstand den Eingriff unbeschadet.
Zum Aufsperren des Maules hatte dabei eine in Längsrichtung eingeführte Autofeder mit zwei seitlichen Haltegriffen gedient,
durch die das Endoskop geschoben wurde.
Die zweckentfremdete Autofeder
Im Anschluss freuten wir uns, Diplom-Biologin Nadja GRAP von der Universität Bonn ein weiteres Mal als Referentin bei uns
begrüssen zu dürfen.
Sie hatte bereits auf unserer
Jahrestagung 2012
von ihren Forschungen im Rahmen einer Diplomarbeit über das Wahrnehmungsvermögen von Oberflächenwasserwellen bei Krokodilen
berichtet und stellte jetzt die neuen Studien in ihrer darauf aufbauenden Doktorarbeit dar.
Die genannte Sinneswahrnehmung dient den Tieren zur Ortung von Beute, als Warnung vor Feinden und zur Kommunikation untereinander
( z.B. Kopf- und Schwanzschlagen im Wasser ).
Die wahrnehmenden Rezeptoren sind gut als schwarze Punkte auf der Haut der Krokodile zu erkennen.
Die Verteilung der Rezeptoren ist bei den rezenten Familien unterschiedlich : Alligatoren besitzen diese nur im Kopfbereich, Krokodile und Gaviale weisen
die Rezeptoren zusätzlich auch im restlichen Körperbereich auf.
Die einzigartigen Rezeptoren können schwächere mechanische Reize wahrnehmen als die menschliche Fingerspitze.
Sie sind hauptsächlich um die Zähne der Krokodile verteilt, treten aber auch im Maul der Tiere auf.
Im Maul dienen sie wahrscheinlich in erster Linie zum Untersuchen und Ausrichten der Beute vor dem Schluckvorgang.
Die Anzahl dieser Rezeptoren nimmt im Zuge des Größenwachstums der Tiere nicht zu, dadurch werden die Abstände zwischen den einzelnen
Rezeptoren größer.
Bei der Untersuchung der Sensivität von Jungtieren auf Oberflächenwellen zeigte sich, dass diese an durch Beute ( hauptsächlich
Insekten ) verursachte Wellen angepasst sind und durch Wind produzierte Wellen nur sehr schlecht wahrnehmen.
Zweifellos der Höhepunkt der Veranstaltung war die anschließende Live-Sektion eines verendeten Brauen-Glattstirnkaimans ( Paleosuchus palpebrosus ).
Dr. Markus BAUR, Fachtierarzt für Reptilien und Leiter der
Reptilienauffangstation München
,
präparierte routiniert verschiedenen Organe aus dem Krokodilkörper heraus und referierte dabei anschaulich über deren Funktion, Lage,
Aufbau und Beschaffenheit.
Die mit Schutzanzügen ausgerüsteten Tagungsteilnehmer erhielten so interessante Einblicke in die anatomischen Besonderheiten unserer Pfleglinge.
19 Zwerge allein in der Pathologie
Im Anschluss an die Sektion referierte Alexander MEURER über seine Erfahrungen mit LED-Flutern, die er in einer Anlage für Brauen-Glattstirnkaimane
( Paleosuchus palpebrosus ) und in einer Anlage für Siam-Krokodile ( Crocodylus siamensis ) seit Anfang des Jahres testet.
Auf die Idee brachte ihn der ebenfalls anwesende Timo DEIBLE, der in seinem Stumpfkrokodilgehege ( Osteolaemus tetraspis ) ebenfalls diese Leuchtmittel verwendet.
Mit Hilfe der LED-Technik ist es möglich, mit geringer Leistungsaufnahme vergleichsweise viel sichtbares Licht, also Helligkeit zu erzielen.
Alexander MEURER verwendet zu jeweils 50 % kalt- und warmweiße LEDs, damit ein möglichst natürliches, dem Tageslicht ähnliches
Mischungsverhältnis entsteht.
Die über das Internet bezogenen und sehr preisgünstigen Lampen machen in der Anlage unter hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeit einen guten Eindruck.
Unbekannt ist bisher noch die Wahrnehmung der Krokodile, also ob sie diese Beleuchtung ebenso hell sehen wie der Mensch.
Sie zeigten nahezu dasselbe Verhalten wie an dem Tag vor Inbetriebnahme der LED-Strahler.
Im Gegenteil, wohlmöglich hat das Licht im Frühjahr sogar zu einer Stimulation der Tiere geführt und das Siam-Krokodil-Weibchen zu einer Eiablage
bewogen.
Es wurde festgehalten, dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden müssen.
Eine LED-Beleuchtung allein ist meist wohl nicht ausreichend und zusätzliche Mischlicht- und UV-Quellen sollten angeboten werden.
Den Abend des ersten Veranstaltungstages ließen wir in geselliger Grillrunde auf dem schönen Aussengelände des Aquarien- und Terrarienvereins
ausklingen.
Eröffnungsthema am Sonntagvormittag waren landesrechtliche Haltungsbeschränkungen und Haltungsverbote vermeindlicher Gefahrtiere durch verschiedene
Landesregierungen.
Hessen hatte als eines der ersten Bundesländer die nichtgewerbsmäßige Haltung gefährlicher Tiere im §
43 a des Gesetzes über die öffentliche
Sicherheit und Ordnung ( HSOG ) verboten und eine Liste mit den betroffenen Arten geliefert.
Von den Anwesenden wurde ein formloser Antrag an die Hessische Landestierschutzbeauftragte, Frau Dr. MARTIN ( Ministerium für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und
Verbraucherschutz, Wiesbaden ), verabschiedet, der nach einem vorausgegangenen Gespräch Alexander MEURERs mit ihr zum Gegenstand hatte, die Glattstirnkaimane
( Paleosuchus palpebrosus und trigonatus ), die Stumpfkrokodile ( Osteolaemus ) und die China-Alligatoren ( Alligator sinensis ) von der
Gefahrtierliste zu streichen.
Als kleinwüchsige Vertreter und auf der Grundlage fundierter, langjähriger Erfahrungen praktizierender Halter dieser Arten ist das dort unterstellte
Gefährdungs-
potential für Personen und öffentliche Sicherheit bei sachkundiger Behandlung und Unterbringung kaum haltbar.
Schädel eines Brauen-Glattstirnkaimans ( Paleosuchus palpebrosus) , weiblich, ca. 120 cm, und eines ausgewachsenen Collies im Vergleich
Schädel eines Brillenkaimans ( Caiman crocodilus) , ca. 150 cm, und eines ausgewachsenen Collies im Vergleich
Im Oktober 2014 legte dann auch die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen den Entwurf für ein neues Gefahrtiergesetz nebst Durchführungsverordnung
vor.
Dieser wurde mittlerweile in Verbandsanhörungen, verfassungsrechtlichen und Gefahrtiergutachten punktuell in Frage gestellt - hier bleibt die weitere
Entwicklung abzuwarten.
In der anschließenden Diskussionsrunde wurde darauf hingewiesen, dass die Halterverbände in der Vergangenheit vornehmlich mit sich selbst
beschäftigt waren, indem sie ihre Tierhaltung verteidigten und neue Mitglieder suchten, anstatt auch Lobby-Arbeit zu betreiben.
Durch öffentlichkeitswirksame Vertretung ihrer Interessen in Politik und Gesellschaft wäre vermutlich schon im Vorfeld eine Beeinflussung der Legislative
möglich gewesen.
Wir müssen durch eine saubere Argumentationskette auf der Basis von Sachkunde und Haltererfahrung eindeutig Position beziehen.
Erst wenn klar gemacht werden kann, dass wir in den behördlichen Auflagen überwiegend durchaus einen Sinn sehen und diese größtenteils schon
umgesetzt haben, um den Wildwuchs, der sich in unseren Reihen neben den kundigen Haltern entwickelt hat, einzudämmen, wird sich die Politik weniger bemüßigt
sehen, gegen uns vorzugehen.
Nicht unerwähnt bleiben sollen auch die bislang kaum dokumentierten, aber durchaus üblichen, stillschweigend erbrachten Unterstützungsleistungen der
Halterverbände für Behörden bei der Bestimmung und angemessenen Unterbringung von Tieren.
Es folgte ein Bericht von Alexander MEURER über das Ende Mai stattgefundene First East and South-East Regional Meeting der IUCN-SSC-Crocodile Specialist Group in
Kambodscha.
Zentrales Thema war dabei die Farmhaltung der dort heimischen Siam-Krokodile ( Crocodylus siamensis), die der Referent selbst pflegt.
Neben kleineren Farmen, die Jungtiere aufkaufen, vorübergehend aufziehen und anschließend weiterveräußern - also reinen Mastbetrieben - gibt es
auch große Unternehmen, die selbst nachzüchten.
Ein Ziel der Veranstaltung in Kambodscha war es, die Interessen der Krokodilfarmer und die von Wissenschaftlern und Naturschützern zusammenzubringen.
Während die Haltungsbetriebe gerne eine Herabstufung der Siam-Krokodile auf der CITES-Liste von Anhang I auf Anhang II sehen würden, möchten die
Forscher und Artenschützer den bestehenden Schutzstatus erhalten.
Sie signalisierten allerdings Kompromissbereitschaft, wenn mit Hilfe der Farmer eine Auswilderung im größeren Stil möglich wäre.
Leider gibt es aber demgegenüer nur wenige geeignete Standorte für die Ansiedlung von Siam-Krokodilen.
So finden sich auch nur noch ca. 250 Exemplare in freier Wildbahn.
Als Gründe für diese Dezimierung sind die Zerstörung der natürlichen Lebensräume, Bejagung und das ehemalige Einsammeln von Eiern für
Aufzuchtfarmen zu nennen.
Bei der Inkubation von Eiern der Siam-Krokodile spielt neben Sauerstoffversorgung und Luftfeuchtigkeit die Temperatur eine entscheidende Rolle.
Optimal sind Werte um 32 °C.
Bei 28 - 31 °C kommt es ausschließlich zum Schlupf von weiblichen Jungtieren, bei 32 - 32,5 °C zum Schlupf von männlichen.
Kritisch sind Were über 34 °C, vor allem zu Beginn der Inkubationszeit, da die Überhitzung zu Fehlbildungen oder zum Tod der Embryonen führt.
Zum Ende der Inkubationszeit hin benötigen die Embryonen mehr Sauerstoff als zu Anfang des Brutvorgangs.
Erfahrene Personen können direkt nach der Ablage über eine Durchleuchtung der Eier ( Candeling ) feststellen, ob sie befruchtet sind.
Bei der Farmhaltung wird zunehmend auf vorbeugende Massnahmen zur Verhinderung von Gesundheitsstörungen Wert gelegt ( Biosecurity ).
Dazu zählen z.B. eine Optimierung der Haltungsbedingungen ( möglichst wenig Stress, ideale Temperaturen etc. ) und eine generelle Quarantäne von 60 bis 90
Tagen bei Neuzugängen.
Zur Situation des China-Alligators ( Alligator sinensis ) gab es die Information, dass zur Zeit noch ca. 120 Tiere in freier Wildbahn zu finden sind, während
in der Gefangenschaft eine stabile Population von ca. 14000 Tieren zu verzeichnen ist.
Zur Wiederansiedlung stehen momentan nur 2 bis 3 potentielle Lebensräume zur Verfügung.
Nach Analyse der entscheidenden Kriterien ( Vegetation, Wassertiefe u.a. ) werden weitere Habitate gesucht oder geschaffen.
So wurden ca. 39 Teiche künstlich angelegt.
Bei der Auswahl geeigneter Tiere werden veterinärmedizinische Untersuchungen ( Blut, Mikroorganismen ) und Gen-Tests zugrunde gelegt.
Gruppenfoto mit fast allen Teilnehmern
Die Jahrestagung 2016 wird voraussichtlich vom 17. bis 19. Juni 2016 in München im Tierpark Hellabrunn und in der Auffangstation für Reptilien stattfinden.
Für die interessante Tagung in Fulda möchten wir allen an der Planung und Durchführung beteiligten Personen herzlich danken, insbesondere dem Team
vom Aquarien- und Terrarienverein Scalare für seine Gastfreundschaft, die Bereitstellung der Räumlichkeiten und die geduldige Beantwortung aller unserer
Fragen.
Ein großes Dankeschön sagen wir auch den Referenten und allen Tagungsteilnehmern, die ausnahmslos entscheidend zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen
haben.